Eine Freundschaft

                  



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Eine Kunstpostkarte, -wie man sie in den Museen bekommt, zeilenlos, ein altet Meister, sieht Luise kurz, liest, was ihr der Freund in ungenauer Schrift mitteile .Liebe Luise! In Zukunft, so wünsche ich es mir, sollten wir uns nur noch zufällig, sonst nicht! treffen. Alle Begründungen würden Dich kränken! Lebe wohl! Michael'
Setzen, hinsetzen, noch einmal lesen. 'Liebe Luise ..,' sie steht wieder auf, liest ein drittes Mal Keine Auseinandersetzung, kein Streit kann so schlimm sein für sie wie das Verbot, sich zur Wehr zu setzen. Keine genauen Gründe erfahren, nur anzudeuten» sie seien kränkend für sie - was hat er sich dabei gedacht? Ein Ratsch - und aus! Das hätte sie nicht für möglich gehalten. Sie waren doch kein Liebespaar. Anrufen? Nein, sie musste seinen Wunsch ernst nehmen.

Seit ihrem Studium hatte sie schwule Freunde. Sie verstand sich sehr gut mit ihnen; im Unterschied zu ihren Freundinnen waren es Männer, aber ein Verliebtsein, eine sexuelle Begehrlichkeit, die eine Beziehung zwischen Frauen und Männern oft so kompliziert, entfiel; Fremdes war da, aber auch eigenartig Vertrautes.

Fünfzehnuhrfünfzehn. Er klingelte pünktlich. Da er auf ihre Bitte hin das Cafe vorgeschlagen hatte, kannte er den Weg, eine Viertelstunde etwa; Luise ging gern zu Fuß, ihr Auto hatte sie verkauft, als sie Rentnerin wurde. Auch konnten sie bereits Wichtiges klären, ihre Berufe etwa: Als sie sagte, sie gehe mit Sprache um, kam heraus, er war Lehrer für alte Sprachen am Gymnasium- Auch kam bei dieser Gelegenheit heraus, dass er nicht nur keinen Femseher, sondern auch kein Auto besaß. Luise fand das alles sehr sympathisch.

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Dieser Text ist ein kurzer Einblick aus dem Vortrag. Die Vorträge der Literaturveranstaltung werden zu einer Dokumentation zusammengefasst.

 

  
 Charlotte Worgitzky